Historie

Die niederdeutsche Sprache wurde im späten Mittelalter nach der Erfindung des Buchdrucks sogar Schriftsprache. Bislang waren Urkunden und Gesetzestexte fast ausschließlich in Latein abgefasst worden. Weil zu dieser Zeit die Niederdeutsch die Verkehrssprache im gesamten norddeutschen Raum war, war dies Anlass genug, auch die Luther-Bibel in dieser Sprache zu übersetzen und zu drucken, obwohl Luther selbst seine Übersetzung in hochdeutsch verfasst hatte.

 

Aber allmählich begann bereits um 1600 der Niedergang der niederdeutschen Sprache, die mehr und mehr vom Hochdeutschen verdrängt wurde und langsam aber stetig auf das Niveau eines Dialekts absank. Das ging in mehreren Schritten über die Bühne. Zunächst verlor das Niederdeutsch seinen Status als Schriftsprache. Bald ging auch das gebildete Bürgertum zum Hochdeutsch über, während die einfache Landbevölkerung weiterhin das Niederdeutsche pflegte mit der Folge, dass Plattdeutsch nur  noch als die Sprache der kleinen Leute, der einfachen Bauern und Arbeiter galt. Und der etwas auf sich hielt, sich einer anderen gesellschaftlichen Schicht zugehörig wähnte, sprach Hochdeutsche und mied zunehmend das Niederdeutsche.

 

Die Zeit der Industrialisierung um 1900 verstärkte diesen Trend weiter, so dass die Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten der niederdeutschen Sprache mehr und mehr beschnitten wurden. Dieser Niedergang des Plattdeutschen verlief in den Städten natürlich sehr viel schneller ab als auf dem Lande, vornehmlich weil der größte Teil der Bevölkerung nach wie vor aus sogenannten "einfachen Leuten" bestand.

 

Den Gnadenstoß bekam das Plattdeutsche auch für die Landbevölkerung am Ende des II. Weltkrieges. Es mussten sehr viele Flüchtlinge aus dem Osten aufgenommen werden, die natürlich ihre eigenen Dialekte weiter pflegten. Außerdem war man damals unisono der Überzeugung, dass man es den Kindern nach dem Schrecken dieses erlebten Krieges schuldig sei, das bestmögliche  zu tun, um ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Also wurde in nahezu allen Familien mit den Kindern hochdeutsch gesprochen, während die Erwachsenen untereinander zunächst noch beim Platt blieben, allerdings auch hier schon mit abnehmender Tendenz. Das Ganze ging so weit, dass sich Kinder schämten, wenn offenbar wurde, dass zuhause platt gesprochen wurde.

 

Heute spielt Niederdeutsch eigentlich überhaupt keine Bedeutung mehr, es hat lediglich die Wertigkeit eines Kulturgutes. Und so ist dem Europarat zu verdanken, dass er u.a. das Niederdeutsche als eigenständige, schützenswerte Sprache offiziell anerkannt und geschützt hat. In einigen bundesdeutschen Ländern sind infolge dessen Regelungen in Kraft getreten, die sich mit aller Schärfe gegen eine weitere Diskriminierung des Niederdeutschen wendet. Am weitesten ist man dabei in Schleswig-Holstein gegangen, wonach die Behörden verpflichtet worden sind, Anfragen und Anträge auf Plattdeutsch zu bearbeiten. Selbst der Bundesgerichtshof hat festgelegt, dass auch Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen beim Deutschen Patent- und Markenamt auf Plattdeutsch eingereicht werden können.Vereinzelt wird gelegentlich in einzelnen norddeutschen Landtagen schon einmal platt gesprochen,dann aber nur bei Themen, die die niederdeutsche Sprache betreffen. Nicht selten will man damit auch eine heitere versöhnliche Atmosphare schaffen. Damit wird deutlich, dass das Niederdeutsche heute eher für heitere und leichte Themen vorbehalten bleibt. Auch der plattdeutschen Theaterkunst erwartet das Publikum heute eher das Kommödienhafte. Aber es gibt durchaus niederdeutsche Literatur, die nicht nur oberflächlich unterhaltend ist. Der Verfasser dieser Seite erinnert sich sehr gut daran, dass er bereits in den 50er Jahren ernst und zum Teil tragische Hörspiele im Radio gehört hat.

Heinz Tödtmann